Anfang Januar in Konstanz: Die Sonne scheint, und das Thermometer zeigt 5°C an. Von Schnee keine Spur, das Wetter wirkt eher frühlingshaft. Und doch gibt es anderswo, zum Beispiel in Armenien, Schneestürme, die innerhalb von zehn Minuten ein auf der Straße fahrendes Auto so einschneien, dass es nur mit Hilfe kräftiger Passanten wieder „flott“ gemacht werden kann. „Wir haben das selber kaum für möglich gehalten“, erzählt unser armenischer Mitarbeiter Wigen Aghanikyan. Und deshalb ist er froh, dass trotz des heulenden Windes, der eisigen Kälte von -17°C und der hart ins Gesicht treibenden winzigen Schneeflocken genügend Helfer aufzutreiben sind, die das in einer Schneewehe stecken gebliebene Auto mit vereinten Kräften wieder fahrbereit machen. Ist er doch gemeinsam mit seiner Kollegin Aljona Zetunyan wieder einmal mit Hilfsgütern unterwegs in Dschadschur. Hier warten viele bedürftige Menschen auf unsere Nahrungsmittelpakete.
Sorge um das täglich Brot
Im Zimmer von Hasmik (69) und ihrem Ehemann Hovhannes Abovyan (71) ist der Schneesturm laut zu hören – und zu spüren. Öffnet man die Tür der schadhaften Hütte, weht sofort ein eisiger Schwall Kälte und Nässe in den kleinen Raum. „Wir haben uns diese Behausung aus den Trümmern unseres Hauses zusammengebaut“, erzählt Hovhannes Abovyan. Das Zimmer dient sowohl als Wohnraum, Schlafzimmer und Küche. Zwei Betten, zwei selbstgebaute Stühle, ein Tisch, ein Holzofen – das ist die ganze Einrichtung. Die Steinwände und die Decke sind schwarz von Ruß. Immerhin ist der Raum nicht im Minusbereich kalt, noch haben die beiden alten Leute einen kleinen Vorrat an Holz und Kuhfladen zum gelegentlichen Heizen. Warm ist es aber auch nicht gerade, deshalb behalten sie ihre Winterjacken an. Der zwölfjährige Enkel sitzt bei ihnen; er wirkt verschlossen und still, so wie Jugendliche manchmal in Gegenwart von Erwachsenen sein können. Die Eltern des Jungen sind zwei Monate zuvor nach Russland gegangen, in der Hoffnung, dort Arbeit zu finden. Der Sohn blieb bei den Großeltern, damit er in seiner gewohnten Umgebung ist und weiter zur Schule gehen kann. Aber einsam fühlt er sich vermutlich trotzdem. Jede armenische Familie, die ein Familienmitglied nach Russland auf Arbeitssuche schickt, weiß, was das bedeutet: Monatelange, manchmal jahrelange Abwesenheit, selten das Glück, tatsächlich eine gut bezahlte und regelmäßige Arbeit zu finden, häufig Resignation, sowohl in der Fremde als auch zu Hause in Dschadschur. Und für die Großeltern, die alt und krank sind, bedeutet die Sorge um den Jungen eine zusätzliche Belastung. Liebevoll versuchen sie, ihm so gut es geht die Eltern zu ersetzen. Aber so ein Zwölfjähriger im Wachstum hat Hunger, und er braucht Kleidung und Schulmaterialien. Den Großeltern fehlt oft das Geld für das Nötigste, und so ist gar nicht daran zu denken, dass der Enkelsohn auch mal ein neues Buch oder ein Spielzeug bekommt.
Große Freude über das Hilfspaket
Die Familie ist rührend dankbar für das große Nahrungsmittelpaket, das Wigen und Aljona ihnen in ihre Hütte bringen. Speiseöl, Nudeln, Reis, Mehl, Zucker, Fleischkonserven, Buchweizen, Erbsen, Kondensmilch, auch Seife und Waschpulver und – die Augen des Jungen leuchten auf – zwei Tafeln Schokolade und eine Tüte Bonbons. Wie fast überall werden Wigen und Aljona auch hier sofort auf eine Tasse Tee eingeladen. Ein Hilfspaket mit Grundnahrungsmitteln, das eine Familie einen Monat lang über den schlimmsten Winter hinweg versorgt, kostet rund 57 Euro. 150 Familien wie die Abovyans stehen auch bei der aktuellen Verteilung jetzt im Februar wieder auf unserer Liste. Mit Ihrer Gabe, liebe Leserinnen und Leser, können wir jedes Mal aufs Neue vielen armen Menschen in Dschadschur Hoffnung und handfeste Unterstützung bringen. Jede Spende unter dem Stichwort „Armenien“ hilft. Haben Sie herzlichen Dank.