Für Judit, der Tochter des Schafzüchters Simeon aus Betlehem, war es schon früh klar, Hirtin zu werden. Sie liebte die Schafe, kannte jedes mit Namen und war immer für sie da.
Der große Tag kam, als Vater Simeon Judit beauftragte, die Herde auf den Feldern zu hüten. Bemerkenswert war ihre Zähigkeit, ihr gesundes Selbstbewusstsein, die Fähigkeit, ihre Frau zu stehen gegenüber den Männern draußen unter freiem Himmel. Einige Hirten waren abweisend: eine Frau! Unmöglich! So begannen schräge Bemerkungen, spöttische Blicke, Verachtung.
In der Nacht der Nächte hatte Judit sich auf die Botschaft des Engels hin aufgemacht und das Kind in der Krippe gefunden. Auch die Hirten waren gekommen. Das Kind lächelte allen entgegen. Judit und die Hirten spürten ein tiefes Gefühl der Freude im Angesicht des Kindes. Es wurde ihnen warm ums Herz. In allem Dunkel empfingen sie Licht. Sie sahen von sich selbst ab zu IHM hin und wurden verwandelt: in eine innige Herzensgemeinschaft ohne Wenn und Aber. Zusammen übergaben sie Judits selbstgestrickte Wollmütze an Maria für die nackten Füßchen des Kindes – sie hielten sich an den Händen. Frieden zog bei ihnen ein.
Herzlichst Ihr
Wilhelm Olschewski