Das Haus zusammengestürzt, das Auto durch Granatsplitter beschädigt – als sich Familie Papoyan am 30. September nach tagelangem Ausharren aus dem Luftschutzkeller wagte, lag ihr Leben buchstäblich in Trümmern. Zwei Tage später rangen sie sich zu dem Entschluss durch: Wir müssen hier weg, fort aus Martuni, weg aus der Bombengefahr, die Heimat zurücklassen, nur das Allernötigste mitnehmen. Für einige unserer Leser, die Krieg und Bombardierung selbst miterlebt haben, ist sicher am ehesten nachvollziehbar, unter welchem Stress und unter welchen Entbehrungen eine Familie solch eine Entscheidung trifft.
Große Sorgen und schlaflose Nächte
Die Papoyans kannten bisher keine existenzielle Not. Die kleine Familie lebte in der Stadt Martuni im Osten der umstrittenen Region Bergkarabach; ihr Leben war bescheiden und zufrieden, das Einkommen war abgesichert durch Vater Hayk, der als Lehrer arbeitete. Als sie Anfang Oktober in ihr demoliertes Auto stiegen, um in die Nähe der Stadt Gjumri in Armenien zu einer befreundeten Familie zu flüchten, ließen sie dieses ruhige Leben hinter sich.
Der materielle Verlust ist noch der geringere Teil der Ängste, die die Familie heimgesucht haben. Hayk liegt mit einer Corona-Erkrankung in einer Klinik. Mutter Armine macht sich große Sorgen um das Wohlergehen ihrer beiden Kinder, die durch die entsetzlichen Erlebnisse traumatisiert sind. Die dreijährige Ani schreit nachts im Schlaf, und der sechsjährige Arsen hat Angst, das Haus zu verlassen. Dass es „jemandem die Sprache verschlägt“, ist bei uns in Deutschland ein geflügeltes Wort, über dessen Dramatik kaum nachgedacht wird. Bei Arsen ist genau das passiert. Seit den Bombennächten stottert der Junge. Und auch die unerschütterliche Lebenslust Armines ist fast verstummt. „Ich wünsche keiner Frau auf der Welt, diese Lasten tragen zu müssen“, sagt sie leise.
Die Zukunft vieler aus Bergkarabach geflohener Menschen ist ungewiss; eine Rückkehr in die alte, inzwischen teilweise von Aserbaidschan kontrollierte Heimat ist oft nicht mehr möglich. Um geflohenen Familien zu helfen, haben unsere engagierten Mitarbeiter Aljona Zeytunyan und Wigen Aghanikjan zuletzt Mitte Dezember eine Hilfsaktion organisiert. Die Papoyans und 19 weitere Haushalte in den nordarmenischen Gemeinden Gjumri, Kaps, Maisyan, Qeti und Mets Sariar erhielten Lebensmittel und andere wichtige Güter. Ein großes Paket im Wert von umgerechnet knapp 62 Euro stellte für die begünstigten Flüchtlingsfamilien eine große Hilfe dar.
Liebe Leserinnen und Leser, solche Verteilungen sollen auch in Zukunft stattfinden, und auch unsere regelmäßigen Hilfsaktionen für die Ärmsten direkt in Bergkarabach möchten wir fortsetzen. Deshalb bitten wir Sie herzlich, den Menschen aus und in Bergkarabach weiterhin mit Ihrer Gabe beizustehen. Vielen Dank!