Unschuldig im Gefängnis
Daniel Majok (Name geändert) sitzt ruhig an die Wand gelehnt im Hof des Gefängnisses in Rumbek. Sein Blick ist abwartend, und seine Füße sind mit Metallschellen und einer Kette gefesselt. Wenn er läuft, kann er nur ganz kleine Schritte machen – das Metall klirrt und schabt an seiner Haut. Doch der 23-Jährige ist kein verurteilter Verbrecher. Daniel ist seelisch erkrankt. Dass er jetzt so ruhig unter den anderen Insassen außerhalb seiner Zelle sitzen kann, dass er nicht schreit und um sich schlägt, dass er sich fotografieren lässt und man sogar ein paar Worte mit ihm sprechen kann, ist schon ein Fortschritt. Doch dass er sich überhaupt in einem Gefängnis befindet und nicht in einer psychiatrischen Klinik unter professioneller ärztlicher Obhut, zeigt eines der großen, elementaren Probleme im Südsudan auf.
Stigmatisiert, auf sich gestellt
Im Land gibt es schätzungsweise 200.000 Menschen mit schweren und über eine Million Menschen mit leichten bis mittelschweren psychischen Störungen, berichtet das South Sudan Medical Journal. Bei einer Einwohnerzahl von rund 10 Millionen ist demnach etwa jeder Zehnte von einer psychischen Erkrankung betroffen – und die meisten Betroffenen sind sehr jung. Kriegerische Konflikte, wirtschaftliche Not und andere soziale Belastungen haben eine große Zahl von Menschen traumatisiert. Das Fehlen einer spezialisierten medizinischen Infrastruktur verschlimmert die Situation. Mangelnde Bildung, Stigmatisierung, Aberglaube und Ängste sorgen dafür, dass seelisch Erkrankte häufig – und in der Regel erfolglos – traditionellen „Geisteraustreibungen“ unterzogen werden. Hilft das nicht, werden die Erkrankten in den meisten Fällen ausgestoßen und leben sich selbst überlassen auf der Straße.
So erging es auch Daniel Majok – doch er hatte noch das Glück, dass seine Familie sich um ihn kümmerte. Der junge Mann, der aus dem Dorf Malou südlich von Rumbek stammt, hatte zwei Jahre zuvor bei einem Überfall den gewaltsamen Tod von zwei Geschwistern und weiteren Verwandten miterlebt. Seine Lebensgrundlage – ein kleiner Kiosk – wurde dabei zerstört und geplündert. „Er lief weg“, berichtet seine Mutter. „Er lebte auf der Straße, mit Alkohol, mit Drogen, er war gewalttätig und gefährlich. Er wäre gestorben.“ Doch Daniels Familie handelte anders als viele andere. Sie verlor ihn nicht aus den Augen, und schließlich gelang es seiner Mutter und einem seiner Brüder, Daniel ins Gefängnis nach Rumbek zu bringen. Ins Gefängnis deshalb, weil es in keiner Klinik der Region eine Möglichkeit gibt, eine solche posttraumatische Belastungsstörung zu behandeln. Unter den gegebenen Umständen hat die Familie das bestmögliche für ihren Sohn und Bruder getan – er ist unter Aufsicht, wird von Rauschmitteln ferngehalten, auf Krankheiten wie Malaria behandelt und erhält regelmäßig Essen. Dass man in einer dunklen Zelle eingesperrt ist, dass die Füße gefesselt sind, dass man seiner Freiheit beraubt und wie ein Krimineller behandelt wird – das ist der Preis, den im Südsudan viele psychisch Kranke zahlen müssen, sofern sich überhaupt jemand ihrer annimmt.
Unser Einsatz für mehr Menschenwürde
„Wir haben aktuell 50 Menschen mit schweren und leichten psychischen Erkrankungen hier bei uns“, berichtet Jacob Maker, medizinischer Mitarbeiter der Haftanstalt. Mit unserer Unterstützung werden die schwierigen Bedingungen für die Erkrankten erleichtert – sie erhalten medizinische Hilfe, Lebensmittel, Seife, Decken, Kleidung und Moskitonetze. Insbesondere aber wird das Personal fortlaufend in der Diagnose und Behandlung von psychischen Störungen wie etwa Epilepsie oder Schizophrenie geschult, und es werden benötigte Medikamente bereitgestellt. „Mit der Unterstützung in Form von Lebensmitteln, anderen Hilfsgütern und Psychopharmaka, die wir von Hoffnungszeichen erhalten, konnten wir im vergangenen Jahr 20 Menschen behandeln und entlassen – sie führen jetzt wieder ein normales Leben“, so Jacob Maker.
Alle zwei Monate erreicht unsere Nahrungsmittelhilfe das Gefängnis in Rumbek. Besonders wichtig ist zudem die Bereitstellung von Medikamenten, die für jeden Patienten individuell angefordert werden. Daniel Majoks Zustand hat sich seit seiner Ankunft im Gefängnis stetig verbessert, weil er neben ausreichender Nahrung, Kleidung und Obhut auch eine speziell auf seine Erkrankung ausgerichtete Behandlung bekommt. Die nächste Maßnahme muss sein, dass ihm die unwürdige Fußfessel abgenommen wird – wir haben noch viel Arbeit vor uns.
Helfen Sie uns jetzt:
- Mit 30 Euro können Sie die Beschaffung von einem großen Sack Reis ermöglichen.
- Für 50 Euro können wir Decken und Kleidung für die Insassen bereitstellen.
- Mit 100 Euro ermöglichen wir die Medikamente eines Patienten für ein Jahr.
Danke, dass Sie mit Ihren Gaben und im Gebet den psychisch Erkrankten im Gefängnis Rumbek beistehen!