„Ein hungriger Mensch ist ein wütender Mensch“, sagen die Südsudanesen. Ein Rückblick: Im Wartezimmer unserer Klinik sehe ich die kleine Alom Deng auf dem Schoß ihrer Großmutter sitzen. Alom ist sehr dünn, ihre Haut umspannt die zerbrechlich wirkenden Knochen. Und so sanft ihre Großmutter Alendit Makuei und Ernährungsexperte James Majok auch mit ihr umgehen – Alom schreit sofort los. Oder sagen wir besser, sie versucht es, denn ihr Schrei ist kaum zu hören. Ihre Augen sind eingesunken, keine Träne ist zu sehen, ihre Lippen sind wund, trocken und blutig, und sie hat Fieber. Alom ist ein „wütendes“ Kind. Sie wehrt sich gegen die Untersuchung des Mediziners, sie wehrt sich gegen das Fiebermessen und das Wiegen, sie meidet Blickkontakt mit anderen Menschen und hat fast ununterbrochen ihre Hand im Mund. James Majok erklärt mir später, dass das Symptom der „Unzufriedenheit“ bei unterernährten Kindern häufig auftritt. „Dass sie keine Tränen weinen kann, dass ihre Augen eingesunken sind und ihr Mund trocken ist, weist auf Dehydrierung hin.” Aloms Unterernährung geht mit einer Atemwegsinfektion einher, die im Südsudan gerade in der Trockenzeit häufig vorkommt. Auch Großmama Alendit ist sichtbar krank. Sie ist mit ihren etwa 50 Jahren eine typische alte Dinka-Frau. Auch sie ist unterernährt und leidet an starkem Husten, dazu an einem Juckreiz am ganzen Körper.
Aloms Familie musste fliehen
Aloms Vater Deng Malou versuchte die Familie mit Viehzucht und Ackerbau durchzubringen. In Alendits Gesicht zeichnet sich Kummer ab, als sie erzählt, wie die Familie aufgrund von Stammeskonflikten fliehen und die bestellten Felder zurücklassen musste. „Wir konnten kaum etwas zu Essen mitnehmen – wir mussten doch unsere Babies tragen“, erzählt sie. „Ich trug Alom, ihre Mutter die andern beiden Kinder.“ Jetzt lebt die Familie in einer notdürftig aus Planen und Hölzern zusammengebauten Hütte. Als Alom krank wurde, habe die Familie zunächst abgewartet und auf Besserung gehofft, wie die Großmutter erklärt.„Sie verlor dann schnell an Gewicht, und wir wussten nicht, was wir machen sollten. Dann erzählte uns jemand von der Hoffnungszeichen-Klinik. Aloms Mutter passt auf die anderen beiden Kinder auf, und so bin ich mit ihr hergekommen. Mein Sohn bestellt derweil das Feld.“ Von Verwandten haben sie ein kleines Stück Land bekommen, so dass sie in diesem Jahr verschiedene Getreide- und Gemüsesorten anbauen konnten und nun auf eine gute Ernte hoffen.
Ich treffe Alom und ihre Großmutter heute wieder – nach fünf Wochen Behandlung in unserem Ernährungszentrum. Alom hat sich sehr gut entwickelt. Sie wiegt drei Kilogramm mehr als bei ihrer Einlieferung, ihre Atemwegserkrankung ist ausgeheilt, und sie ist kräftig genug, um auf dem Gelände der Klinik herumzulaufen. Auch Großmutter Alendit geht es besser. Als die beiden entlassen werden, bedankt sich Alendit bei Hoffnungszeichen und den Medizinern in der Klinik. „Ich werde allen im Dorf erzählen, dass man hier behandelt werden kann, denn viele wissen das noch nicht.“ So wie für Alom ist und bleibt unsere Klinik ein Hoffnungszeichen für die Menschen in der Region. Ihre Unterstützung, liebe Leserinnen und Leser, macht dies möglich.